Das Webjournal von


Jürg-Peter Lienhard

Journalist BR/Photoreporter


Artikel

Elsass

Region Basel

...und ausserdem
Für Sie

Dienstleistungen

Newsletter

Wird nur für Top-News versandt!

Geben Sie Ihre eMail-Adresse ein: (Beispiel: meier@email.ch)

Abonnieren

Abbestellen



Kontakt



Download von Acrobat Reader

Acrobat Reader herunterladen

Artikel vom: 22. Oktober 2003

Kultur

Faust 2004 am Goetheanum

Das Verständnis ist die Lust

Goethes Hauptwerk für 13 Millionen

Von Reinhardt Stumm

DORNACH.- Die Goetheanumbühne in Dornach unterzieht sich als einzige Bühne der Welt seit 1938 (zuletzt 1999) alle paar Jahre wieder der Anstrengung, Goethes «Faust I» und «Faust II» ungekürzt zu spielen - genau 12'111 Verszeilen.

Seit einem Jahr arbeitet nun schon ein fünfzigköpfiges Schauspielensemble unter der Regie von Wilfried Hammacher, gestützt von einer fünfzigköpfigen technischen Mannschaft, in Dornach an einer neuen Inszenierung.

Sechzehn Aufführungstermine mit verschiedenen Zeitmodellen zwischen drei und fünf Tagen sind geplant, die Premiere (1. bis 3.April 2004) wird drei Tage dauern. Die Gesamtspieldauer wird 21 Stunden betragen.  Obwohl der Vorverkauf (ab 1. November 2003) noch nicht begonnen hat, sind bereits tausend Karten verkauft.

Hunderte von Förderern und Gönnern haben von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht. Sie tragen viel dazu bei, die Produktionskosten zu decken, die vom Goetheanum auf 13 Millionen Franken veranschlagt werden. Auch die Kantone Solothurn (300'000), Basel-Stadt (280'000) und Baselland (450'000), das Bundesamt für Kultur (200'000) und der Kanton Bern (40'000) stehen auf der Spenderliste. Die Einnahmen an der Kasse (bei erhofften 12'000 Zuschauern) werden auf 5,1 Millionen geschätzt.  

Regisseur Wilfried Hammacher

Zahlen, Zahlen, Zahlen! Eine Pressekonferenz gab am Mittwoch, 22. Oktober 2003, aber auch erfrischende Gelegenheit, mit Wilfried Hammacher, 75, zu sprechen, der die Regie übernommen hat, gewiss ein gewaltiges Stück Arbeit.

Der Theatermann Hammacher kehrt nach Jahrzehnten aus Stuttgart, wo er die Novalis-Bühne gründete und leitete, nach Dornach zurück, wo er seine ersten Sporen verdiente - nicht ohne Federn zu lassen. Die sechziger Jahre waren immer noch geprägt von jenen Steiner-Anhängerinnen (es waren vor allem Damen), die stolz darauf waren, den grossen Doktor noch selber gekannt und natürlich wirklich verstanden zu haben, Fundamentalistinnen der anthroposphischen Bühnenkunst sozusagen und insbesondere der Eurythmie, die mit Argusaugen darüber wachten, dass alles so blieb, wie es in den zwanziger Jahren war.

Da hatte Hammacher, ein intelligenter, wacher, respektvoller, aber auch ungebärdiger Neuerer, keine Chance.  Was die Goetheanum-Bühne (und nicht nur die Bühne) seitdem loszuwerden sucht, ist dieser Ruch von Geheimwissenschaft, von Weltabkehr, von Eingekehrtheit, ist der Ruf, ansprechbar überhaupt nur für Eingeweihte zu sein und mit Nichteingeweihten möglichst wenig bis nichts zu tun haben zu wollen.

Aber «dies hier ist kein Zauberberg», sagte Hammacher. Wenn er in Dornach Theater macht, wird es freilich auch ganz sicher nicht das sein, was landläufig als Regietheater bezeichnet wird. Was Hammacher anstrebt, ist nichts anderes als das, was alle ernsthaften Theaterleute anstreben: Theater dient dem Text, der Schauspieler muss ihn verstehbar machen. Dazu muss er verständlich sein - das wiederum hat mit Sprechkultur zu tun, die übrigens bei den Hauptrollenträgern hier auf ungewohnt und verblüffend hohem Stand ist.  

Was heisst Werktreue?  

Er würde, sagte Hammacher, Werktreue nicht für sich in Anspruch nehmen. Wer könne behaupten, die eine, ungeteilte und ganze Wahrheit dieses Textes zu besitzen und zu vermitteln? Jeder geht aus seiner Erfahrung an ein Stück, hinter jeder Theateraufführung steht eine Anschauung, «wir haben unsere, die anthroposophische». Im übrigen lehrt schon der Umstand, dass alle Hauptrollen in dieser Inszenierung doppelt besetzt sind, wie ganz unterschiedlich derselbe Text aus anderem Mund auf uns zukommt. Wenn es eine Formel sein muss: Das Verständnis ist die Lust, die Bühnenarbeit das Mittel, sie zu schaffen.  

Not lehrt beten  

An die 800 Kostüme müssen neu angefertigt werden. An Bühnenbilder, wie sie früher auf der Goetheanum-Bühne üblich waren, ist da gar nicht mehr zu denken. Es wird also keine naturalistische Dekoration geben. Das ist nicht schlimm, Dekoration ist ja auch Ablenkung, Korsett, Fessel der Fantasie. «Wir arbeiten mit Podesten, Stufen, Vorhängen, Licht, Farben.» Das raubt den Schauspielern natürlich materielle Stützen, beansprucht sie also spirituell stärker als sonst, wird dafür aber auch die poetische Phantasie der Zuschauer beflügeln, die freilich zuhören müssen. Hammacher sucht Beispiele, setzt Grünewald oder die naturalistische Malerei gegen Klee (wie wundervoll jetzt gerade bei Beyeler, schwärmt er) oder Kandinsky.  

Blick auf die Bühne  

Gearbeitet wird am Ersten Akt von Teil zwei (Gärtnerinnen), da ist nichts fertig, Hammacher vergisst ganz schnell, dass wir da sind, steht schon auf der Bühne, gibt Anweisungen, beantwortet Fragen, es ist wie in jedem Theater. Dann Szenenwechsel, einer der beiden Mephistos tritt auf - zieht dem Hofstaat den Speck durchs Maul, überall vergrabenes Gold! Schlagartig wird die Neugier wach, hier ist Kraft, beherrschte, spielerische Bewegung, der Text lebt. Und noch eine Szene, der andere Mephisto und Faust, der zu den Müttern geschickt wird. Leicht und gleich wird deutlich, was Hammacher meinte mit zwei Temperamenten und demselben Text - welches Vergnügen!  Mehr im April 2004!

Reinhardt Stumm


Mehr Informationen zur Faust-Version 2004: hier klicken…
Nach oben
 

© Copyright Jürg-Peter Lienhard, Basel (Schweiz)
Design by Silvia Ulenberg, Straelen (Deutschland)